Wir alle wissen um die Gefahr, die das Coronavirus für uns gesundheitlich darstellt. Doch während sich die körperlichen Folgen einer Infektion Impfstoffen und Abstandsregelungen zum Dank wenigstens lindern lassen, bleibt unsere Psyche auf der Strecke. Ein Minimum sozialer Kontakte, Home-Schooling über Wochen und Monate hinweg – selbstverständlich dienen diese Maßnahmen dem Schutze aller. Doch gleichzeitig leiden so viele Menschen wie noch nie unter Depressionen, Angststörungen oder sind häuslicher Gewalt ausgesetzt.
Die Auslöser sind ebenso vielfältig wie die Symptome, durch welche sich psychische Krankheiten manifestieren. Lockdown und soziale Isolation, aber auch coronabedingte Bedrohung unserer fundamentalsten Grundbedürfnisse (finanzielle Nöte, unsichere Arbeitsplätze etc.) sind hier bloß die Spitze des Ursachen-Eisbergs. Und genauso können zwei Menschen unter der gleichen Krankheit leiden, ohne auch nur ein einziges Symptom zu teilen.
Im Folgenden wollen wir euch nicht nur eine Übersicht über die prävalentesten psychischen Krankheiten und ihre Hauptmerkmale geben, sondern auch Tools und Anregungen, um die psychische Gesundheit eurer Schüler:innen (und auch von euch selbst) zu erhalten.
An dieser Stelle einmal der Hinweis, dass unsere Empfehlungen keinen Ersatz für richtige psychologische Betreuung darstellen. Auch wenn wir im Rahmen dieses Artikels eng mit Betroffenen zusammengearbeitet haben, möchten wir vor allem für die Thematik sensibilisieren. Denn Umweltfaktoren nehmen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung und den Zustand unserer Psyche. Und obgleich die Corona-Pandemie in vielerlei Hinsicht verheerende Folgen mit sich gezogen hat, bietet sie uns gleichzeitig auch neue Chancen: eine von ihnen der offenere und verständigere Umgang mit der psychischen Gesundheit.
Die häufigsten psychischen Erkrankungen und Symptome
Erkrankung | typische körperliche Symptome |
---|---|
Angststörung | insb. Schwitzen, Zittern, Anspannung |
Affektive Störungen (z.B. Depression, Manie, etc.) | Nervosität, Reizbarkeit Niedergeschlagenheit, verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, Gleichgültigkeit |
Alkoholsucht | Reizbarkeit, Zittern, Rötung der Gesichtshaut, Alkoholgeruch |
Essstörungen (Anorexie, Bulimie, Binge-Eating-Störung) | rapide Gewichtsveränderung bzw. starkes Über-/ Untergewicht, negative Selbstwahrnehmung, krankhaftes Verhältnis zu Nahrungsmitteln (übermäßige oder mangelnde Kontrolle über eigenes Essverhalten) |
Schizophrenie | desorientiertes Verhalten, Reizbarkeit, Unruhe, Antriebslosigkeit |
Symptomatik und Komorbidität
Sehr selten lassen sich Symptome eindeutig einer spezifischen Erkrankung zuordnen. Viele wahrnehmbare Verhaltensweisen überlappen sich und auch psychische Krankheiten treten oft gemeinsam (komorbid) auf. Die obige Tabelle dient daher weniger als Symptomkatalog zur Einordnung, sondern vielmehr als Orientierungshilfe, damit ihr euch ein grobes Bild über das Spektrum der häufigsten Symptome machen könnt.
Mädchen erkranken deutlich häufiger an Essstörungen und Depressionen; indes erkranken Jungen viermal so häufig an ADHS und Suchterkrankungen. Auch neigen sie eher zu oppositionellem Verhalten.
Konkrete Diagnosen sind im ersten Schritt auch gar nicht notwendig; was wichtig ist, ist einzugreifen und Hilfe anzubieten, wenn Schüler:innen in Teufelskreise geraten oder es nicht schaffen, ein adäquates Ventil für ihren Leidensdruck zu finden.
Prävention im Unterricht – Formate und Inhalte
Psychische Krankheiten entwickelt ein Mensch nicht ohne Grund; genau deshalb ist Fingerspitzengefühl gefragt, wenn es um den Umgang mit (potenziell) Betroffenen geht. Belastende Lebenssituationen, traumatische Erlebnisse, Stress und negative Erfahrungen können alle eine Rolle spielen. Daher ist es oft die beste Lösung, das Gespräch mit dem:der Betroffenen alleine und in neutraler und sicherer Umgebung zu führen. Einzelgespräche, vielleicht sogar vor Ort im Klassenzimmer, können hier als Möglichkeit dienen, Schüler:innen ein offenes Ohr anzubieten. Nicht selten ist ein „Wie geht es dir?“ alles, was es braucht.
Ferner lassen sich im Rahmen von z.B. Klassenleitungsstunden auch Entspannungsverfahren einführen, wie etwa Atemübungen, Traumreisen oder Achtsamkeitsübungen. Ob und inwieweit eure Schüler:innen affin für solche meditativen Techniken sind, müsst ihr individuell einschätzen.
Wie gehe ich mit Schüler:innen um, die betroffen sind? Dos and don’ts
Ein heikles Thema, das oft einschüchternd wirken kann – aber gerade in der aktuellen, kontaktbeschränkten Zeit ist es ratsam, lieber einmal zu viel nachgefragt zu haben als überhaupt nicht. Abgesehen davon, auffälligen Schüler:innen deutlich zu machen, dass sie bei euch eine vertrauensvolle Ansprechperson finden, ist vor allem Feingefühl vonnöten. Denn vielen Betroffenen (und Angehörigen) ist oft gar nicht bewusst, dass sie unter psychischen Erkrankungen leiden.
Ein Gespräch mit den Erziehungsberechtigten kann ein guter nächster Schritt sein, wird aber in jedem Fall notwendig, falls Schüler:innen extreme körperliche Auffälligkeiten oder Verhaltensänderungen aufweisen. Stellt sich das häusliche Umfeld eures Schützlings als Problemherd heraus, wendet euch im Zweifelsfall an regionale Beratungsstellen oder das Jugendamt.
Hier allerdings noch einmal ausdrücklich der Hinweis: Der erste Ansatz sollte stets die Kontaktaufnahme mit den betroffenen Schüler:innen sein.
Weiterführende Informationen
In fast jeder Stadt findet sich heutzutage eine psychologische Beratungsstelle, an die ihr im Zweifelsfall verweisen könnt. Alternativ existieren diverse Krisentelefone, die Betroffenen 24/7 Hilfe bieten (z.B. https://www.deutsche-depressionshilfe.de/krisentelefone, https://familienportal.de/familienportal/lebenslagen/krise-und-konflikt/krisetelefone-anlaufstellen)
Fazit: Auch wenn Lehrkräfte keinen Ersatz für ärztliche und psychologische Betreuung bieten können und sollen, kann schon ein offenes Ohr einen potenziell lebensbedrohlichen Teufelskreis frühzeitig durchbrechen und sowohl Betroffene als auch Angehörige vor Monaten, gar Jahren des Leidens bewahren.
Habt ihr bereits Erfahrungen im Umgang mit betroffenen Schüler:inne gemacht und wenn ja, wie seid ihr mit der Situation umgegangen? Gibt es konkrete Aspekte zum Thema, über die ihr mehr erfahren wollt? Teilt es uns gerne in den Kommentaren mit.