Digitale Bildung am Beispiel Norwegen

Deutschland hinkt in der Digitalisierung des Bildungswesens hinterher. So zeigt der aktuelle Bildungsmonitor der EU auf, dass „die digitale Ausstattung und Konnektivität deutscher Schulen […] unter dem EU-Durchschnitt“ liegt. Beispielsweise gingen 2017/2018 nur 9% der deutschen Schüler*innen der Primarstufe auf eine digital gut ausgestattete Schule – 26 Prozentpunkte weniger als der EU-Durchschnitt. Andere Länder zeigen, wie es besser gehen kann. Gerade die skandinavischen Länder werden hier immer wieder als Vorreiter genannt. Wir möchten heute ein Blick auf die digitale Bildung in Norwegen wagen, um das dortige Schulsystem zu betrachten.

Bildungssystem Norwegens

Zunächst beginnen die Schüler*innen ähnlich wie in Deutschland im Alter von sechs Jahren mit der 1. Klasse in der Grundschule. Diese wird jedoch, im Unterschied zu einigen deutschen Ländern, durchgehend bis mindestens zur 7. Klasse besucht. Während dieser Zeit erhalten die Schüler*innen keine Noten. Stattdessen dienen halbjährliche Gespräche zwischen Eltern, Lehrkräften und Schüler*innen der Diskussion/Besprechung des Lernfortschritts.

Von Klasse 8 bis Klasse 10 besuchen die Schüler*innen die Sekundarstufe 1. Hier werden auch das erste Mal Noten vergeben. Abhängig von den Noten und eigenen Wünschen können die Schüler*innen im Anschluss in drei Jahren die allgemeine Hochschulreife erwerben (ähnlich zur deutschen Oberstufe) oder eine Laufbahn zur beruflichen Ausbildung einschlagen.

Stand der Digitalisierung

Seit 2016 ist die Digitalisierung der Bildung in Norwegen Teil der „Digitalen Agenda für Norwegen“. Darin hat die norwegische Regierung ein Konzept dargelegt, um Informations- und Kommunikationstechnologien zukünftig zum Wohle der Gesellschaft einzusetzen und zu fördern. Im Bildungsbereich fußt das Digitalisierungskonzept auf zwei wesentlichen Säulen: Zum einen sollen Schüler*innen digitale Kompetenzen vermittelt werden, die diese später in ihrem privaten und beruflichen Alltag benötigen. Zum anderen sollen die Möglichkeiten digitaler Anwendungen genutzt werden, um den Lernerfolg der Schüler*innen zu steigern. Wir stellen einige Elemente der Digitalisierungsoffensive im norwegischen Bildungssystem vor.

Öffentliche Bildungsangebote

Als wesentlichen Eckpunkt zur Förderung digitalen Lernens hat das norwegische Bildungsministerium bereits im Jahr 2006 50 Millionen norwegische Kronen (ca. 5 Millionen Euro) bereitgestellt, um eine digitale Plattform zur Bereitstellung freier Lernmaterialien zu entwickeln. Die Norwegian Digital Learning Arena (NDLA) wurde 2007 erstmals genutzt und ist seitdem immer weiter gewachsen. Von 2010 bis 2019 stieg die Nutzungszahl von zunächst knapp 1,5 Millionen Besucher*innen auf knapp 14 Millionen Besucher*innen jährlich an.

Homepage der Norwegian Digital Learning Arena (NDLA)

Die Plattform ist komplett kostenlos nutzbar und bietet Lernmaterialien für eine große Zahl an Fächern und Themenbereichen. Neben den Informationsmaterialien und Aufgaben bietet NDLA einige weitere Funktionen zur digitalen Bildung wie eine Sharing-Plattform zum individuellen Austausch von Material oder ein eigenes Filmportal mit Kurzfilmen, Dokumentationen und Serien.

Doch die NDLA ist nur ein Eckpfeiler einer Vielzahl öffentlicher und privater Bildungsangebote, die in Norwegens Schule zum Einsatz kommen. So ist es kein Zufall, dass beispielsweise die weltweit erfolgreiche Lernplattform Kahoot! in Norwegen entwickelt wurde. Das Tool, welches Lernen auf spielerische Art und Weise fördern will, wird nach eigenen Angaben inzwischen von 7 Millionen Lehrkräften genutzt und wurde 2018 mit 300 Millionen US-Dollar bewertet. Ein weiteres Beispiel ist die norwegische Mathe-Plattform Kikora, auf der Lernende Matheaufgaben lösen können und dazu mit Gamification-Ansätzen motiviert werden.

Technische Ausstattung und Lehrer*innenbildung

Bereits im Jahr 2000 wurden erstmals Laptops an Schulen in Norwegen eingeführt. Außerdem erhalten Schüler*innen ab dem 16. Lebensjahr einen eigenen Laptop, der von der Regierung finanziert wird und auch in Prüfungen eingesetzt werden kann. In Zeiten der Corona-Pandemie ermöglicht dieser darüber hinaus die Teilnahme am Distanzunterricht.

Neben dem Fokus der Verbesserung der Lernbedingungen für Schüler*innen sind auch die Veränderung der Lehrer*innenbildung elementarer Bestandteil der Bildungsreform aus dem Jahr 2016 in Norwegen. So wurden die Anforderungen, um in den Lehrer*innenberuf einzusteigen, erhöht sowie die Ausbildungsinhalte angepasst. Ein wesentlicher Fokus liegt inzwischen auf der Vermittlung von Kompetenzen im Bereich der digitalen Bildung sowie der besseren Kooperationen von Lehrkräften untereinander.

Fazit

Selbstverständlich ist auch das Bildungssystem in Norwegen nicht frei von Problemen. So lag Norwegen beispielsweise bei der PISA-Studie 2015 „nur“ auf Platz 17 im Gesamtdurchschnitt – und damit vier Plätze hinter Deutschland. Und dennoch zeigen die genannten Beispiele, welche Potentiale gezielte Investitionen in die Digitalisierung der Bildungslandschaft gemeinsam mit einem stimmigen Gesamtkonzept bieten können. Gerade im Bereich frei verfügbarer Lernmaterialien kann Norwegen möglicherweise als positives Beispiel für vergleichbare Anstrengungen hierzulande dienen.

Was ist eure Meinung? Kennt ihr positive oder negative Beispiele aus anderen Ländern, von denen das deutsche Bildungssystem lernen kann? Schreibt uns dazu einen Kommentar oder eine Mail über unser Kontaktformular oder besucht uns in den sozialen Medien auf Instagram, Facebook oder Twitter.

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